Australische Party-Christen: Zu helfen ist Predigt genug…

Im April hatte ich schon einmal über ein Thema geschrieben, dass meinem Empfinden nach immer drängender wird: Nämlich das Problem, dass viele Christen keinen Liebensdienst an anderen Menschen tun können, ohne (1) sich verpflichtet zu fühlen, dabei auch einen irgendwie gearteten Missionsimpuls weiterzugeben, und (2) ohne sich von der „bösen Sünde“ zu distanzieren, deren Auswirkungen sie gerade zu lindern versuchen.

In Australien und inzwischen auch einigen anderen Ländern gibt es seit vielen Jahren die „Red Frogs“ – Christen, die sich um gestrandete Partygäste kümmern. Einmal im Jahr gibt es in Australien die sogenannten „Schoolies“, das ist eine Woche Party am Strand, mit viel Alkohol, viel Drogen und viel Sex. 70.000 Jugendliche in Extase. Wo die meisten Christen entsetzt die Flucht ergreifen würden, mischen die Red Frogs eifrig mit. Dabei stehen sie nicht am Rand und halten alberne Schilder in die Höhe. Die 1.800 „Frogs“ sind vielmehr überall auf den Straßen, mitten im Getümmel, immer an ihren unverwechselbaren T-Shirts und Lenyards erkennbar. Sie verteilen rote Weingummifrösche, um im Gedächtnis zu bleiben, Wasser, um Leute vor dem Kollaps zu bewahren, Kondome, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und morgens leckere Pancakes für die „Überlebenden“. Sie haben vor Ort ein Callcenter für Notrufe, kümmern sich um Alkoholleichen, Gewaltexzesse und Vergewaltungungsopfer. Oder sie sitzen einfach stundenlang bei jemandem, der sich nicht mehr auf den Beinen halten kann. Und gleichzeitig betreiben sogar eine der größten Partybühnen am Strand.

Und dabei gibt es keine Vorbehalte gegen die frommen Hüpfer. Die Red Frogs haben sich durch Tonnen von Weingummi und (vor allem) jahrelange Beziehungsarbeit ein großes Vertrauen aufgebaut. Sie besuchen vor den „Schoolies“ viele Abschlussklassen im Land, stellen sich vor, geben den Kids Tipps zum sicheren Party machen, nennen ihre Callcenternummer und bieten an, da zu sein, wenn etwas ist. Die Jugendlichen wissen, dass die „Red Frogs“ Christen sind. Aber sie wissen auch: Es sind Menschen mit einem weiten Herz und sie helfen nicht nur als Mittel zur Evangelisation. Die Red Frogs sind ein fester Bestandteil der „Schoolie“-Experience. Ohne sie würde die Woche für viele Jugendliche sehr viel schlimmer enden. Und sie haben über die Zeit nachhaltige Veränderungen bewirkt.

Ähnliches gilt für Aktionen wie „24/7 Ibiza„, wo Christen einerseits rund um die Uhr beten und andererseits in den Clubs der Insel unterwegs sind und Partyleichen zurück in ihre Unterkunft bringen. So haben sie schon viele Jugendliche davor bewahrt, ausgeraubt oder vergewaltigt zu werden. Oder die „Streetpastors“ in England, die Freitags und Samstags unterwegs sind, Taxis rufen, Betrunkenen helfen, Streitigkeiten schlichten oder Menschen ein paar Sandalen geben, die ihre Schuhe auf der Party verloren haben. „Wenn man dann hört: ‚Danke, dass ihr da wart – was wäre ohne Streetpastors gewesen?‘ Oder wenn man Menschen sagen kann: ‚Du kannst nicht deine Vergangenheit ändern, aber deine Zukunft‘, dann weiß man, dass man einen wirklich wichtigen Einfluss hat!“, sagt Malcom Murry, Leiter einer örtlichen Streetpastor Initiative.

Keine Vorbehalte? Von wegen…!

Keine Vorbehalte, sagte ich? Natürlich gibt es die – und zwar natürlich bei den Christen! Viele Anfeindungen müssen sich die Aktivisten der „Red Frogs“ von ihren Glaubensgeschwistern anhören. Hauptsächlich: „Helfen ist gut, aber indem ihr das macht, unterstützt ihr die Sünde! Ihr helft in gewissem Sinne mit, die Schoolies am Laufen zu halten und ermutigt vielleicht sogar noch Leute unbeschwerter hin zu gehen – die Red Frogs hauen sie schon raus…“

Der zweite Vorbehalt ist: „Ihr müsst doch den Jugendlichen sagen, was sie falsch machen und was Gott nicht will. Und müsst ihnen von der Liebe Gottes erzählen.“

Die Red Frogs, die Streetpastors und viele andere solche Initiativen wissen aber, dass sie nicht akzeptiert würden, wenn sie von der Liebe Gottes erzählen, Traktate verteilen und predigen würden. Sie wissen: Ihre Liebe zu den Menschen und ihre Hilfe in der Not erzählt viel mehr als jede Vorhaltung es könnte. Und deshalb haben sie auch einen viel größeren Einfluß auf das Leben Jugendlicher als es jeder Büchertisch in der Fußgängerzone und jeder „cleane“ Schülerbibelkreis es je könnten.

Und auch, als es jeder könnte, der versucht, die Hilfe als Mittel zum Zweck zu missbrauchen. Wie ich ja schon versucht habe, zu zeigen, hat Jesus das nie getan. Er hat auf Rückfragen reagiert – aber er hat nie Hilfe und verbale Botschaft unmittelbar verknüpft.

Ich verstehe schon, dass es vielen Christen mit einem bestimmten Glaubensbild schwer fällt, so einfach Teil einer Szene zu werden, in der vieles schief läuft. Aber hauptsächlich scheinen mir dabei moralische Gründe im Weg zu stehen  – in der Annahme, der Kontakt mit etwas Schlechtem macht mich sofort schlecht, sündig, unwürdig, was auch immer.

Dabei hat Jesus im Prinzip nichts anderes gemacht als die „Frogs“, wenn er mit den Trinkern und Säufern gefeiert hat. Er war da, mitten drin, ohne Berührungsängste. Und bewirkte dadurch eine Veränderung. Hätte er den Zeigefinger geschwungen, hätte er sich mit den Pharisäern auf einer Ebene gestellt.

Es wäre toll, wenn wir Christen immer mehr lernen würden, dass Bau des Reiches Gottes nicht mit Papier passiert, sondern mit einem liebenden, uneigennützigen Herz.

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Kommentare

12 Kommentare auf "Australische Party-Christen: Zu helfen ist Predigt genug…"

  1. pvm says:

    Apg. 4,20 denn es ist uns unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden.

    Das wird sicher noch Gültigkeit und Vorbildwirkung aufweisen, oder?

    2. Thim. 4 V 1-2. Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christo Jesu, der da richten wird (im Begriff steht zu richten) Lebendige und Tote, und bei seiner Erscheinung und seinem Reiche: 2. Predige das Wort, halte darauf (tritt auf, tritt hinzu) in gelegener und ungelegener Zeit; überführe, strafe, ermahne mit aller Langmut und Lehre.

    Auch hier erkenne ich kein Schweigen… auch kein stummes Gutmenschentum… Bekenntnis und Evangelium… das steht vornan.

    Und wer das beherzigt… sich als Diener, Knecht und/oder Sklave Christi versteht wird auf IHN hören. Wird den Dienst tun zu dem er berufen wird. Dann werden aus Glauben, Gehorsam und Bekenntnis Früchte des Glaubens zur Ehre Gottes reifen.

    Jakobus 1 V 25 Wer aber in das vollkommene Gesetz, das der Freiheit, nahe hineingeschaut hat und darin bleibt, indem er nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter des Werkes ist, dieser wird glückselig sein in seinem Tun. 26 Wenn jemand sich dünkt, er diene Gott, und zügelt nicht seine Zunge, sondern betrügt sein Herz, dessen Gottesdienst ist eitel. 27 Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater ist dieser: Waisen und Witwen in ihrer Drangsal besuchen, sich selbst von der Welt unbefleckt erhalten.

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    • Rolf Krüger says:

      PVM, vielleicht passt die Tageslosung (bzw. der Lehrtext) von heute ganz gut dazu:

      Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.

      1.Johannes 3,18

      🙂

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  2. sam says:

    @rk: stimme dir sehr zu.
    @pvm: stimmt auch, nur der Zeitpunkt des „Redens“ ist später, nämlich dann, wenn der, dem geholfen wurde, sich fragt, warum er so liebevoll behandelt wurde… Und genau dass ist der Unterschied zum „Anpredigen“.

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  3. Joni says:

    „Das Schiff gehört ins Wasser,
    aber das Wasser nicht ins Schiff.“

    Das war einer der ersten Merksätze, die ich als junger Christ hörte. Jetzt, 30 Jahre später und im Blick zurück, find ich, dass der 2. Teil ganz schön schwierig hinzukriegen war/ist 😉

    Darüber hinaus geht es wohl um eine innere Haltung, sich einem Menschen in absichtloser Solidarität zuzuwenden. Das ist vielleicht eine Frucht des Geistes?

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  4. Wolfram says:

    Na ja… das Schöne in der Bibel ist ja, daß es für alles ein Gegenbeispiel gibt – für fast alles jedenfalls: denn in Lk. 14 bricht Jesus einen Streit vom Zaun (und das schon vor dem Essen!) und heilt einen Wassersüchtigen mehr als Illustration seiner Rede als um seiner selbst willen. Auch wenn das eher die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt: das gibt es auch.
    Demgegenüber gibt es eine Reihe von Episoden, wo Menschen geholfen wird, ohne daß sie etwas verlangt hätten, und gelegentlich auch mal mit einer Ermahnung, die sich nur an die Jünger wendet.

    Ich glaube, wichtiger als predigen ist das Beten. Deshalb gebe ich viel auf Aktionen wie ACAT oder 24/7 Ibiza, weil da eben nicht Beten und Aktion getrennt wird. Denn das ist die traurige Gefahr vieler großer Hilfswerke, die einerseits die Mission im klassischen Sinn hintanstellen und vom Prinzip her mehr gelebte als geredete Botschaft überbringen wollen, aber andererseits oft über dem Praktischen die Anbindung ans Evangelium verlieren.

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  5. ali says:

    wir sind auch auf festivals unterwegs. aber wir evangelisieren dort:
    http://www.soulbus.de

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  6. Christian says:

    Ich bin ihnen ewig zu Dank verpflichtet, dass die amerikanischen Jesus People, die mich vor 40 Jahren „gestrandet“ vorfanden, mir eine Tasse Tee und was zu essen machten und mir dabei gleichzeitig das Evangelium predigten, oder, wie du es formulierst, „sich verpflichtet fühlten, dabei auch einen irgendwie gearteten Missionsimpuls weiterzugeben“. 😉

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  7. Christian says:

    p.s.

    wichtig ist m.E. zu wissen, wozu wir berufen sind.

    Die Hippies waren nicht in erster Linie deshalb „arm“, down&out and on the street“, weil sie Opfer irgendeiner ökonomischen Ungerechtigkeit geworden waren, sondern weil sie eine in ihren Augen zutiefst kranke Gesellschaft ablehnten und lieber außerhalb des „Establishments“ arm waren als Teil dieser kranken Gersellschaft. Sie waren in gewisser Weise suchende Menschen und wollten als solche ernst genommen werden. Und sie waren in großen Scharen „reif“ für die Botschaft des Evangeliums. Wie ein Schlüsselloch, in das nur noch der Schlüssel gesteckt und umgedreht werden musste:
    „Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.“
    Und dann bekehrten sich mal so eben dreitausend Leute zu einem spontanen und doch stabilen, dauerhaften Glauben.

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  8. Christian says:

    … um die Debatte noch mal ein bisschen aufzuwärmen: 😉

    Dein Hauptargument hier, wie in dem Parralelpost über „Huckepackmission“ ist:

    Jesus hat, während er half, nie verbal missioniert.

    Mal angenommen, das stimmt: So sehr Jesus uns allen auch ein ethisches Vorbild sein will und ist, so gibt es doch Unterschiede zwischen seinem eigenen, messianischen Handeln, und dem, was unser Auftrag ist. Er tat Zeichen und Wunder in seinem eigenen Namen, auch als Erfüllung von AT-Prophetie:

    „Da ward ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und da er das Buch auftat, fand er den Ort, da geschrieben steht: „Der Geist des HERRN ist bei mir, darum, dass er mich gesalbt hat; er hat mich gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollten, und den Blinden das Gesicht und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen, und zu verkündigen das angenehme Jahr des HERRN.“

    Jemand, der den Auftrag hat: „Predige das Wort …, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit“, sich dagegen aber auf humanitäre Liebesdienste beschränkt, gleicht einem Angestellten, der Gelder aus dem Firmenvermögen verteilt, aber es versäumt, die Geschäftskarte seiner Firma dabei zu legen.

    Sei es aus Kleinglauben oder schlechten Erfahrungen („Die Red Frogs, die Streetpastors … wissen aber, dass sie nicht akzeptiert würden, wenn sie von der Liebe Gottes erzählen, Traktate verteilen und predigen würden“), oder weil sie sich der Botschaft vor den Nichtchristen schämen: Auf alle Fälle ist ihr Auftrag unvollständig ausgeführt, denn sie verkündigen durch ihr Handeln nicht Christus, sondern sich selbst.

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  9. Christian says:

    … um das Verhältnis einmal so zu formulieren:
    Richtiges Handeln kann das verbale Zeugnis nicht ersetzen,
    aber falsches Handeln kann das verbale Zeugnis ruinieren.

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  10. Christian says:

    … andernfalls könnte es passieren, dass folgendes geschieht:

    „Da aber das Volk sah, was Paulus getan hatte, hoben sie ihre Stimme auf und sprachen auf lykaonisch: Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herniedergekommen.
    Und nannten Barnabas Jupiter und Paulus Merkurius, dieweil er das Wort führte. Der Priester aber Jupiters aus dem Tempel vor ihrer Stadt brachte Ochsen und Kränze vor das Tor und wollte opfern samt dem Volk.
    Da das die Apostel Barnabas und Paulus hörten, zerrissen sie ihre Kleider und sprangen unter das Volk, schrieen und sprachen: Ihr Männer, was macht ihr da? Wir sind auch sterbliche Menschen gleichwie ihr und predigen euch das Evangelium, dass ihr euch bekehren sollt von diesen falschen zu dem lebendigen Gott!“

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