Bio verheißt Gesundheit, doch jedes Mal, wenn ich Bio kaufe, ärgere ich mich. Denn Bio sollte auch „Nachhaltigkeit“ verheißen. Stattdessen bade ich nach dem Bio-Einkauf in Plastikmüll.
Neulich beim Einkaufen: Während andere Kaufland-Kunden ihre in Chemie geduschten „konventionellen“ Paprika, Zucchini und Möhren aus einer offenen Box nehmen und ohne weitere Verpackung in den Einkaufswagen legen, greife ich mir die Plastikpackung mit dem „Bio“-Siegel. Meine Gesundheit dankt es mir, mein Planet nicht. Dasselbe Bild beim Obst und auch an der Käsetheke sucht man Bio vergeblich. Lediglich im Kühlregal stehen dem Gesundheitsbewussten Kunden in dickem Plastik verpackte Käsescheiben zur Verfügung.
Gut, Kaufland ist halt was für Assis. Also ab zum Edeka. An der Fleischtheke für die begüterte Mittelschicht werde ich auf die Frage nach Bio-Fleisch angeguckt, als hätte ich mariniertes Zwerghuhn mit blauen Streifen verlangt. Auf meine Frage, was denn das Antibiotika-Schnitzel koste, erhalte ich einen giftigen Blick, im dessen Vergleich das Schnitzel wahrscheinlich schon wieder gesund ist. Nicht mal in der Kühltruhe beim Vorgepackten ist etwas Bio zu finden. Ich greife mir die Bionade in der PET-Flasche aus dem Regal und gehe zur Kasse.
Im ALDI gegenüber erstehe ich schließlich widerwillig mein Bio-Hackfleisch (in Plastik verpackt, natürlich) und erstarre dann vor dem Müsli-Regal: Da haben die doch tatsächlich das Bio-Müsli, das bisher in einer Pappschachtel verkauft wurde, auf einen dicken Kunststoffbeutel umgestellt. Ich verzweifle und schwöre mir, ab jetzt nur noch im Biomarkt einzukaufen.
Doch weit gefehlt: Im Alnatura prahlt eine Wand im Eingangsbereich mit Nachhaltigkeit und ökologischer Verantwortung, drinnen aber wimmelt es von Kunststoffen: Jogurt-Becher, Obsttüten, Reispackungen – alles Plastik. Was bei einigen leicht verderblichen Produkten ja nachvollziehbar ist, das ist bei den meisten Dingen schlicht unnötig: Äpfel müssen nicht in einer Plastiktüte eingeschweißt sein. Himbeeren auch nicht. Selbst für das offene Obst und Gemüse stehen zum Einpacken nur Zelofan-Beutel zur Verfügung.
Laut Statistik kommt jeder Deutsche jährlich auf 250 Kilo Verpackungsmüll. Der Verbrauch von Kunststoffverpackungen hat sich laut der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Das Ärgerlichste dabei: Wer sich versucht, auf seine Gesundheit und nachhaltige Landwirtschaft zu achten, vergrößert gleichzeitig den Verpackungsmüllberg. Wer das vermeiden will, ist fast immer gezwungen, entweder auf konventionelle Artikel (mit einem anderen problematischen Rattenschwanz) zurück zu greifen oder einen Biohof in seiner Umgebung aufzusuchen, was aber bei Weitem nicht überall möglich ist und was für Familien auch oft finanziell einfach nicht drin ist.
Müll ist tödlich
Plastikmüll verdreckt unsere Meere inzwischen zu einem beachtlichen Teil. An Ostseestränden befinden sich an einigen Stellen sieben Plastikteilchen pro Meter. Jeden Tag verenden zahllose Meerestiere, weil sie Plastikteile fressen und entweder daran ersticken oder krank werden. Ein 19-Jähriger versucht jetzt, mit schwimmenden Barrieren den Plastikmüll aus den Meeren zu fischen, ohne die Meeresbewohner durch Netze zu gefährden. Aber auch das hilft nur ein wenig. 80% des Mülls in den Meeren werden über die Flüsse eingespült. Bis sie die Barrieren mitten im Meer erreichen ist der Großteil davon schon abgesunken.
Natürlich kommt über deutsche Flüsse viel weniger Müll als zum Beispiel über asiatische oder afrikanische, wo es oft keinerlei funktionierende städtische Müllverwertung gibt. Aber auch wir sind Teil des Müllproblems. Zwar werden in Deutschland 80% des Plastikmülls recycelt. Aber unter „Recycling“ fällt zum Beispiel auch die „energetische Verwertung“, also die Verbrennung in Kraftwerken. Und rund die Hälfte der Plastikflaschen, die in Pfandautomaten deutscher Supermärkte verschwinden, wird nach China exportiert: Dort werden sie eingeschmolzen und zu Polyesterpullis gemacht. Aber es bleiben die Transportwege und auch Polyesterpullis werden irgendwann weggeworfen – meist in den Restmüll.
Es geht auch anders
Es gibt inzwischen zarte Alternativansätze, um Verpackungsmüll zu vermeiden: In Kiel hat ein Laden eröffnet, der in der Tradition der Tante-Emma-Läden Waren offen anbietet. In Berlin wollen drei junge Frauen gleich eine ganze Supermarktkette („Original unverpackt„) starten. Und man munkelt, dass einige Bioläden in der Landeshauptstadt anfangen, auf Verpackungen zu verzichten. Anfangen? Ich fürchte, das reicht nicht.
Wenn nicht einer der Großen auf dem Markt diesen Trend entdeckt und voll einsteigt wird die Auswirkung solcher lobenswerten Initiativen gering bleiben. Zu den Großen gehören der Metro-Konzern (Metro, Real, Extra, …), die Rewe-Gruppe (Minimal, Akzenta, Kaufpark, Rewe, HL, Penny, …), die Ava-Gruppe (Edeka, Marktkauf, Netto, …), Aldi und die Schwarz-Gruppe (Kaufland, KaufMarkt, Lidl, Handelshof, Concord, …).
Zu den Großen für ökologisch sensible Kunden muss man dann allerdings auch die Biomarkt-Ketten wie denn’s, Alnatura oder Basic zählen. Wo, wenn nicht dort, wären Kunden am ehesten offen dafür, auf Plastikverpackungen ganz zu verzichten?
Dass dort das Thema bisher kein Thema ist, zeigte mir kürzlich mal wieder ein Zettel auf der Feedback-Wand unseres Alnatura-Marktes. Dort stand: „Wann lasst ihr endlich diesen ganzen Plastikmüll weg?“ Eine Antwort des Unternehmens – wie bei anderen Zetteln üblich – stand nicht dabei, wochenlang.
Also müssten wir lauter protestieren. Ich fürchte nur, einfach alle unnötigen Plastik-Verpackungen bei Alnatura oder Aldi nach dem Kassieren aufzureissen (es sind ja meist die Barcodes auf der Verpackung) und dann demonstrativ hinter der Kasse liegen zu lassen (statt sie verschämt in den gesetzlich vorgeschriebenen Umverpackungsbehältern verschwinden zu lassen) würde einem nach ein paar Mal ein Hausverbot im Supermarkt einhandeln. Damit das Problem bis an die Konzernspitzen vordringt, müssten das schon zehntausende Menschen deutschlandweit machen, den Müllberg auf dem Kassenband am besten fotografieren und mit einem Hashtag bei Twitter oder Facebook posten (wie wäre es mit #kaufsnackt ?).
Bis die Zeit dafür reif ist oder die Konzerne von selbst aufwachen, versuche ich, meinen Käse möglichst an der Käsetheke zu kaufen statt ihn eingepackt aus dem Kühlregal zu nehmen. Und möglichst auf Fleisch zu verzichten, solange keine Theke mit Biofleisch in erreichbarer Nähe ist. Ich kaufe lieber bei Kaufland einen Jogurt im Glas als bei Alnatura vier kleine in Plastikbechern. Und bei Obst und Gemüse? Da verzichte ich oft lieber auf Bio als noch mehr Plastik zu kaufen.
Obwohl – wie war das mit dem Twittern des Plastikbergs hinter der Kasse? 🙂
Kommentare
10 Kommentare auf "Gesund und tödlich: Biokonzerne und der Plastikmüll"
Lieber Rolf, danke für diesen Beitrag – du sprichst mir aus dem Herzen!
Wir (=Familie) fangen gerade an, über den Plastikverpackunsgsmüll nachzudenken. Ich kann also noch keine großen Erkenntnisse oder Erfahrungen beisteuern. Aber ich möchte wenigstens ein paar Links hinterlassen – vielleicht bringt das Stöbern ja auch ein tieferes EIntauchen und den ein oder anderen Tipp.
Auf „original unverpackt“ hast du ja schon hingewiesen. In Wien gibt’s einen kleinen Laden, der auch so funktioniert:
Schau die mal das „Strichcode-Fasten“ an. Dort ist das Plastiksparen „nur“ ein Nebeneffekt; aber die Erfahrungen sind interessant: http://strichcodefasten.wordpress.com/
Auf dem Blog http://langsamerleben.wordpress.com/about/ findest du viele Ideen, was man selbst alles herstellen kann – dadurch kann man viel Verpackungsmüll sparen (hier geht’s aber weniger um Lebensmittel). Wir probieren da gerade einiges aus.
Worüber man auch mal nachdenken muss: Kunststoff wird aus Erdöl gemacht. Diese Ressource ist ja bekanntlich endlich, Es gibt etliche Dinge, bei denen es wirklich praktisch und sinnvoll ist, wenn sie aus Kunststoff sind: zum Beispiel der ganze Hygiene- und Medizinbedarf im Krankenhaus & Co. Und wir verschwenden das für Müsliverpackungen und eingeschweißte Äpfel!!!
Martin
Eine mögliche Ursache dieses Problems ist die Tatsache, dass wir jeglichen Bezug zur Herstellung unserer Lebensmittel verloren haben. Mit ein wenig eigenem Verantwortungsbewusstsein und ein paar Grundkenntnissen könnten wir den Verpackungsmüll genauso reduzieren wie die Belastung „konventionell“ erzeugter Lebensmittel mit allen möglichen Giften.
Das beginnt schon beim Gemüse: Deutsche Obst- und Gemüsebauern legen in aller Regel Wert darauf, dass sie ihre Produkte nicht mit allen möglichen Giften behandeln. „Chemieduschen“ sind eigentlich auch nur notwendig, wenn die Produkte über größere Entfernungen transportiert werden. Doch wir müssen ja unbedingt auch außerhalb der Saison jederzeit z.B. frischen Spargel (aus Peru, oder, schlimmer noch, China) bekommen. Ebenso Gurken und Tomaten aus Spanien oder Kartoffeln aus Ägypten. Wer sein Gemüse weitestgehend in der Saison kauft, der erhält heimische Ware, was schon mal die Transportwege verkürzt. Dazu ist sie in den meisten Fällen unbehandelt und häufig von einer besseren Qualität als einige „Bio“-Lebensmittel aus zweifelhaften Quellen.
Dann das Fleisch. Wir leben hier in Oberfranken ja regelrecht auf einer „Insel der Glückseligen“. Wir haben hier die höchste Metzgereidichte Europas (neben der größten Brauereidichte der Welt 😉 ) Die meisten heimischen Metzgereibetriebe beziehen ihre Produkte regional. Bei vielen lässt sich das lückenlos nachverfolgen. Einige veröffentlichen jede Woche die Namen und Adressen der Landwirte, von denen sie ihr Fleisch beziehen. Doch dafür sind wir, die Kunden, selbst verantwortlich: Franken legen traditionell sehr großen Wert auf „a g’scheits“ Fleisch. Wenn man sein Fleisch, wie offenbar in großen Teilen unserer Republik, nur noch verpackt im Supermarkt bekommen kann, könnte das auch daran liegen, dass man selbst nicht mit seinen Kaufgewohnheiten zum Erhalt kleiner Handwerksbetriebe beigetragen hat.
Gutes deutsches Rindfleisch kann übrigens der argentinischen Massenware durchaus das Wasser reichen!
Das Nächste ist die Unsitte, die Verantwortung immer nur bei den großen Supermarktketten zu suchen. Die bieten nämlich nur das an, was wir, die Kunden, kaufen. Wenn nicht jeder den ganzen Plastikmüll kommentarlos hinnehmen würde, dann würden die ganz schnell ihr Angebot umstellen.
Umweltschutz fängt IMMER bei uns selber an. Das wird gerne übersehen, weil es ja so viel bequemer ist, die bösen „Großen“ dafür verantwortlich zu machen. Und weil man immer einen Grund findet, warum das eigene Verhalten „nicht so schlimm“ ist. Und da brauchen wir über die -ökologisch wie preislich – unsinnigen Kaffeekapseln oder der Unsitte, ALLES im Haushalt elektrisch zu betreiben, bis hin zu Dosenöffner und Pfeffermühle, zu betreiben!
Der letzte Satz sollte eigentlich enden mit „…gar nicht erst zu reden!“ 😉
Ich glaube es geht nur so wenn wir zum biobauern gehen und bei ihm direkt einkaufen. Wir können ihm ja dann auch bei der ernte helfen wenn er sehr viel zu tun hat.
Hallo Sabrina,
das klingt schön, aber ich fürchte, den meisten Menschen fehlt schlicht die Zeit, irgendwem bei der Ernte zu helfen… Und für Familien ist es auf Dauer oft einfach zu teuer, immer beim Biobauern einzukaufen. Eine bessere Lösung auf Großhandelsbasis wäre schon gut…
LG,
Rolf
Wann ist ein Bauer eigentlich ein Biobauer? Nur dann, wenn er sich das für viel Geld zertifizieren lässt? Und ist es wirklich sooo viel besser, wenn ein Bauer seinen Salat mit einer selbst gebrauten Brennnesseljauche spritzt als wenn er einen Kanister künstlich hergestelltes Extrakt in ein paar tausend Liter Wasser kippt und damit seine Pflanzen behandelt? Biohöfe sind zwar gut, daran besteht kein Zweifel. Aber viele leben inzwischen nicht schlecht von der „Heile-Welt“-Fassade, die sie den Großstädtern mit einem völlig unrealistischem Bild romantischer Bauernhof-Idylle vorgaukeln. Manche Direktvermarkter machen sich nicht mal mehr die Mühe, mit irgend welchen Biosiegeln zu werben. Ich kenne eine Familie, die hat ihre Hühnerzucht schon vor Jahrzehnten aufgegeben. Woche für Woche kam der LKW eines Hühnerhofs und brachte palettenweise Eier ins Kühlhaus. Dies war für alle sichtbar und die Bäuerin erklärte auch jedem ganz offen, dass sie die Eier von einem Großbetrieb bezog. Dennoch kauften die Leute die „guten Bauerneier“, die „so viel besser“ schmeckten als die Ware vom gleichen Händler im Supermarkt!
Was „Bio“ ist, bestimmt mittlerweile die EU-Bürokratie. Und deren Vorgaben sind nicht immer nachvollziehbar. Unlängst wurde einem Rinderzüchter sein Bio-Zertifikat entzogen, für das er zwei Jahre zuvor viel Geld investiert hatte. Er hatte seinen alten Stall abgerissen und für viele hunderttausend Euro völlig neu gebaut, genau nach EU-Vorgaben. Die Kühe hatten mehr Platz und mehr Freiheit – wie es die Norm verlangte. Doch dann änderte sich die Norm: Plötzlich hieß es, seine Kühe hätten zwanzig Zentimeter zu wenig Platz. Dabei ist es egal, wie groß seine Rinder eigentlich wirklich sind, die Bionorm geht immer von absoluten Werten aus. Ihm wurde das Biosiegel aberkannt, weil er es sich nicht leisten konnte, seinen gerade gebauten Stall für viel Geld wieder umzubauen.
Lieber Rolf,
Erst mal Danke für den schönen Artikel.
Tipp: Kauf doch dein Obst und Gemüse auf einem der beiden Höfe!!!
Wir leben hier in unserer Ecke im Paradies!!!
Kopie: „““““““““greife ich mir die Plastikpackung mit dem “Bio”-Siegel. Meine Gesundheit dankt es mir, mein Planet nicht.“““““““““““ Die Gesundheit dankt es? ……….. Das bezweifele ich ! Denn angesichts der Schadstoffe, die in Plastikverpackungen enthalten sind steigt der BPA Spiegel im Blut enorm an. Krebs läßt grüßen. Nicht die Umwelt, sondern die Gesundheit sollte als erster Stelle stehen !!! Schadstoffreie Verpackungen. Wenn ich krank im Sterben liege, nützt mir die Umwelt gar nichts mehr. Also vorbeugen. Die gesündeste Bionahrung, Bio Hautcreme usw. nützt rein gar nichts, wenn BPA und andere Schadstoffe aus der Verpackung in die Ware und unsere Haut bzw. Blutkreislauf dringt. Eine gute Verpackung ist Glas, das ist geschmacksneutral und ohne Schadstoffe, Papierverpackungen ohne Kleber. Bei Aluminium Vepackungen bekommt man gleich Alzheimer dazu. Aber sämtliche Supermärkte sind auf Plastik umgestiegen und arbeiten mit Krankenkassen, Krankenhäuser und Pharma Industrieen zusammen, die sich mit den daraus resultierenden Krankheiten eine goldene Nase verdienen 😉 Man kann schon selber schauen und auch zu Hause auf Plastikfrei achten. Glas, Holz, Edelstahl und Porzellan statt Plastik-pötte. Vor 1950 ging auch alles ohne Plastik. Fakt ist: gesunde Biolebensmittel in gesunden Verpackungen – dann bleibt Mensch gesund und erst dann kann er tatenkräftig für die Umwelt kämpfen. Denn Gesundheit durch gesunde Lebensmittel ist das höchste Gut !
Hey Rolf
Wenn du an der Käsetheke einkaufst, dann wird der Käse doch auch in einen Plastikfolie eingewickelt, oder nicht?
Nimmst du dann eine Vesperdose mit oder was ist deine Taktik?
LG Lorenz
Hi Lorenz, bei uns im Kaufland wird esin Papier eingewickelt und kommt dann in einer Papiertüte.die ist zwar auch beschichtet aber sehr viel dünner als dicke Hartplastikverpackungen aus dem Regal.
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