Ägyptens „Mauerfall“ und unsere Rolle

Ägypten hat seinen 9. November 1989 – seine friedliche Revolution. Ich habe – wie sicher die meisten von uns – in den letzten Tagen mitgefiebert, was passiert; ob das Ägyptische Volk seine Freiheit erlangt und vor allem: Ob alles friedlich bleibt.

Und ja, es ist eine friedliche Revolution geblieben! Selbst die Schergen Mubaraks, die am 1. Februar in die Menge geritten sind und Gewalt verbreiten wollten, haben die Stimmung nicht kippen können. Viele von uns werden sich die Augen gerieben haben, während ihre Vorurteile über das arabische Temperament zerbröckelten. Keine brennenden Fahnen, keine Hassparolen. Stattdessen erwachsene Menschen, die auf der Strasse Polonäse tanzen. So wie der Fall der Mauer für uns Deutsche als großes Wunder in Erinnerung bleiben wird, so wird in der arabischen Welt auch der 11.02.2011 tun – Gott war am Wirken in vielen, vielen Menschen, um dem Hass zu widerstehen und den Frieden zu wahren.

Auf dem Tarirplatz (und in den anderen Städten Ägyptens) hatte sich eine Bewegung scheinbar aus dem nichts gebildet, getragen von vielen Faktoren, zuvorderst aber von diesem: Der zunehmenden Säkularisierung unter den Jugendlichen islamischer Länder, getrieben durch Vernetzung und freie Medien, durch die allgegenwärtige Anschauung via Satellit, was Leben in einer freien Gesellschaft bedeutet – im Westen In einer modernen, vernetzten Welt ist jede Form von Inselideologie langfristig nicht überlebensfähig. Und sieh an, auch der fromme Islam hat seine Nachwuchsprobleme, weil viele Verantwortliche die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Denn dies war definitiv keine islamische Revolution.

Aber die Kehrseite dieser medialen Omnipräsenz ist (gerade im Westen) ein riesiger Glaube an alles, was wir aus eben diesen Medien erfahren. Den Blick zu weiten über die uns täglich eingeimpften Perspektiven hinaus – ein wahrhaft hartes Brot. Seit dieser Woche, davon bin ich überzeugt, müssen wir alle unsere Sicht auf die arabische Welt revidieren. Was uns von dort bislang die Filme, Bilder und Texte erzählten, ist eine höchst eindimensionale Sicht auf die Probleme und die schlagzeilenträchtigen Fehlentwicklungen. Muslimbrüder hier, Islamschulen dort; mit vielen Begriffen verbinden die Menschen der westlichen Welt nichts Gutes – obwohl sie meist nicht einmal erklären können, was wirklich dahinter steckt.

So wissen zwar viele, dass die Muslimbrüder in Ägypten verboten sind und die Hamas eine ihrer Abspaltungen ist. Die wenigsten aber wissen: Seit 1970 verfolgen und lehren die Muslimbrüder die gewaltfreie Durchsetzung von Politik und in den letzten Jahren waren sie die Vordenker in Sachen Demokratisierung im Ägyptischen Parlament (in dem sie nicht offiziell vertreten sein dürfen, aber in dem viele parteilose Oppositionsabgeordnete Muslimbrüder sind). Die Ereignisse in Ägypten zeigen uns mal wieder: Nichts auf der Welt ist so schwarz-weiss, wie es oft auf den ersten Blick erscheint.

Das ist besonders ein Appell an uns Medienschaffende: Wir müssen ihn wagen, den Blick unter die Oberfläche – auch wenn er anstrengend ist und man viel leichter angreifbar wird, weil die billige Parole viel leichter einleuchtet als die differenzierte, erklärungsbedürftige Wahrheit. Und doch ist es unsere Pflicht.

Der schönste Aspekt aber an der derzeitigen Revolution in der arabischen Welt ist aus meiner Sicht der Folgende:

Einst erschufen die Araber die Grundlagen für unsere moderne Welt: Mathematik, Astronomie, Medizin. Während wir noch die Wälder Germaniens durchstreiften wurde am Mittelmeer schon längst gerechnet, geforscht und geheilt.

Nachdem wir dann uns alle ein paar Jahrhunderte lang nicht mit Ruhm bekleckerten, schufen wir „Westler“ zuletzt mit Aufklärung und Industrialisierung die Grundlagen für eine freie Gesellschaft in einer vernetzten Welt: Während im Orient die Despoten regier(t)en, das Volk unterdrückten und dem Terrorismus den Nährboden pflügten, stabilisierte der Okzident die Demokratie und erfand das Internet.

Wenn nun mit jenen westlichen Errungenschaften, deren Grundlagen aber die Araber selbst geschaffen hatten, jene Despoten gestürzt und jene Unfreiheit überwunden wurde, vielleicht können dann im großen Kontext zumindest Christen und Muslime sagen: Wir sind quit – und können nun gemeinsam zugehen auf eine neue, friedliche Zukunft! Auf eine Welt, die eins ist; mit Völkern, die vieles unterscheidet, aber wenig trennt; auf eine Welt ohne islamischen Terrorismus und westliche Ausbeute. Auf eine friedfertige Welt, in der wir voneinander lernen, gemeinsam das Leben gestalten und die drängenden Probleme wie Klima und Armut effektiv angehen.

Das ist ganz und gar unrealistisch? Joa, vielleicht. Aber man wird ja noch träumen dürfen…

P.S.: Bitte betet dafür, dass es weiterhin friedlich bleibt und tatsächlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einziehen, auch in den nun nachfolgenden Staaten wie Algerien. Möge Gott Gnade schenken!

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Kommentare

3 Kommentare auf "Ägyptens „Mauerfall“ und unsere Rolle"

  1. Janchen says:

    Seit 1970 verfolgen und lehren die Muslimbrüder die gewaltfreie Durchsetzung von Politik und in den letzten Jahren waren sie die Vordenker in Sachen Demokratisierung im Ägyptischen Parlament (in dem sie nicht offiziell vertreten sein dürfen, aber in dem viele parteilose Oppositionsabgeordnete Muslimbrüder sind).
    ………………………………………………………………………………………………..
    Geld und Macht verderben bekanntlicherweise den Charakter. Ob die Muslimbrüder tatsächlich das sind, was sie momentan vergeben zu sein oder ob sie letztendlich Wölfe im Schafspelz sind, solange bis das Haus des Islam errichtet ist, wird sich zeigen.

    Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben ….

    MfG Jani

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  2. Janchen says:

    Beitrag Nr. 2

    Eine sehr gute analytische Zusammenfassung findet sich hier

    Etwas über Taqiyya im Koran kann man hier lernen (… steht im Übringen im Gegensatz zu dem, was Jesus über Wahrhaftigkeit lehrt …) http://de.wikipedia.org/wiki/Taqiyya

    Im Korintherbrief können wir etwas über die Unterscheidung der Geister lesen und eventuell auch lernen.

    Schöne Grüße Jani

    Antworten

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