Verkauft die alten Kirchen nicht!

Neulich abends war ich mit Meike mal wieder in einer richtig alten Kirche, klein und etwas miefig, mit Buntglasfenstern und altmodischer Holzempore, Kruzifix auf dem Altar und… jeder Menge Mittzwanzigern in den Bänken!

Es war der „Freiraum“, eine Art Stiller Raum 2.0 des Kölner Motoki-Kollektivs. Die alten Mauern waren stimmungsvoll beleuchtet, im Altarraum waren kunstvoll zu Leuchtboxen umgebaute IKEA-Lampen mit Bibelversen, in einer Ecke standen Ledersofas und ein Trampolin (für die Kinder), die Luft war von sphärischer Musik erfüllt, die der DJ auf seinem Mischpult mixte (auch mit IKEA-Lampe). Auf einer großen Leinwand erschienen Fragen zum Thema des Abends: Freiheit.

Im Grunde hatte diese Veranstaltung viele Elemente eines klassischen Gottesdienstes. Ein wunderschönes Chorstück, Begrüßung, eine (kunstvoll getextete und von Christina Bruderecks kleiner Schwester* vorgetragene) Predigt, am Schluß ein Segen. Weniger klassisch, dafür um so tief gehender war der Hauptteil der Veranstaltung: Eine Zeit, um nach Belieben durch die Kirche zu wandern und an verschiedenen Stationen das Thema für sich zu bewegen.

An einem Stacheldraht konnten wir Sorgen, die uns belasten und unfrei machen, auf Zetteln anheften, stattdessen ein Kärtchen mit einem Bibelvers nehmen und uns bewusst von den soeben angehefteten Sorgen abwenden. An einer anderen Stelle lagen Geschichten aus der Bibel aus, in denen Jesus mit Schuld umgegangen ist. Man konnte eine nehmen, sich in die enge Emporenbank quetschen oder auf einen bequemen Sessel flätzen – und diesen Text ganz persönlich auf sich wirken lassen. Und an wieder einer anderen Stelle konnte man für sich anhand eines kleinen Fragenkatalogs eine anstehende, persönliche Entscheidung durchdenken und -durchbeten. Das Ganze wurde mit wunderbarer Musik untermalt, die den hohen Raum mächtig und zugleich sanft erfüllte, so dass es mir wirklich gelang, mich auf das Thema einzulassen (was bei Otto-Normal-Gottesdiensten selten der Fall ist).

Am Ende gab es dann noch die Lounge mit Knabbereien und der unvermeidlichen Bionade (siehe Hipster Christianity 🙂 )

So verzauberte dieser Gottesdienst etwa 80 überwiegend junge Leute und ich schätze, dass der Abend für viele nicht nur ein Event war, sondern sie auch etwas Konkretes für ihren Alltag mitgenommen haben.

Das Entscheidende aber für diese Atmosphäre war die kleine, alte Kirche irgendwo in Ehrenfeld mitten zwischen Autohaus und Dönerbude. Weder in einem sechziger-Jahre-Kirchen-Zweckbau noch in einem modernes FEG-Gemeindehaus hätten die Macher diese Veranstaltung durchführen können (und wären diese Besucher gekommen). Ohne diese Kirche hätte diese Veranstaltung nicht stattgefunden.

Ich kann nachvollziehen, dass alte Kirchen viel Geld kosten, dass sie Energieschleudern sind und dass es sich nicht lohnt, für 15 Omas einmal in der Woche ein solches Gebäude zu erhalten. Es scheint vernünftiger, Gemeinden zusammen zu legen und dabei die teuren Hütten zu verkaufen – an Restaurantketten oder Moscheegemeinden.

Aber täuschen wir uns nicht! Die kommenden, postmodernen Generationen wollen keine Zweckbauten und auch nichts Modernes mehr. In zehn Jahren werden diese alten Kirchen wieder voll sein! Vielleicht nicht sonntags um 9. Aber der Heilige Geist kennt ja zum Glück keine Öffnungszeiten…

*War sie nicht, aber hätte sie sein können 😉

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Kommentare

16 Kommentare auf "Verkauft die alten Kirchen nicht!"

  1. Janchen says:

    Kirchen verkauft man überhaupt nicht. So sehe ich das.

    Zum einen sind sie Kulturgut – zum anderen sind sie für mich geheiligte Orte. Ein besonderer Ort der Stille, in dem Gott einen besonderen Platz hat.

    Diesen Raum zweckentfremden ist für mich blasphemisch. Etwas, was mir in der Seele weh tut.

    LG Jani

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  2. Krüger Manfred says:

    gut !

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  3. Wolfram says:

    Mit Christina Bruderecks kleiner Schwester bin ich in die Schule gegangen; sie ist auch „nicht ohne“… 😉

    In Frankreich sind in den letzten 50 Jahren viele evangelische Gottesdienststätten verkauft worden. Eine davon – leider inzwischen abgerissen – wurde zum Postamt. Über der Eingangstür blieb aber der Bibelspruch „La vérité vous affranchira“ (Die Wahrheit wird euch freimachen – aber auch: die Wahrheit wird euch frankieren!) erhalten.
    Hier klicken, um mehr zu sehen – französische Seite.

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  4. Feuerstein says:

    auch ich finde es schade, wenn die schönen Kirchen, als Orte der Ruhe und der Andacht verkauft werden, abgesehen von ihrem kulturellen Wert. Aber was können die kath. und evang. Kirche dagegen tun? Wahrscheinlich wären die Kirchen voller wenn das Evangelium deutlicher gepredigt , mehr Mission und mehr auf die Jugend zugegangen wird. Fast alle sehnen sich doch nach Spiritualität und nach Geborgenheit.

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    • Wolfram says:

      Na, was für ein Rundumschlag… „richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“, denn was weißt du schon, was in jeder Gemeinde geschieht?
      Und „Spiritualität und Geborgenheit“ sind nicht unbedingt das, wovon die Bibel spricht.

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      • Janchen says:

        Wie das?

        Der rote Faden der Bibel ist Gottes Liebe. Liebe und Geborgenheit sind nicht zwei Paar Schuhe sondern gehören zusammen.

        Und über Spiritualität können wir sehr wohl mindestens im Korintherbrief nachlesen … die Gaben Gottes.

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        • Wolfram says:

          „Spiritualität“ – hast du mal nachgelesen, was das ist? Esoterik, Selbsterlösung, Mandalamalen, Tantra – alles „Spiritualität“.
          Die Gaben Gottes sind was ganz anderes. Und gehören außerdem nicht zu dem, was christliche Gemeinden „zu bieten haben“, sondern werden dem Gläubigen vielleicht zuteil, aber nicht nach seinem eigenen Gutdünken und auch nicht nach dem der anderen.

          Außerdem darf man nicht Christlichen Glauben und Kuschelreligion erwechseln – mit diesem hohlen Schmu sind doch gerade die Kirchen leer geworden!

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          • Rolf Krüger says:

            Und Islam, Buddhismus, Schamanismus… alles Glaube! Also weg mit dem Glauben! Und die Muslime nennen Gott Allah, dann dürfen wir also auch nicht mehr das Wort Gott benutzen, ja?

            Du meinst das hoffentlich nicht ernst, oder?

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            • Wolfram says:

              Todernst. Es geht nicht um Begriffe (obwohl ich den Jehova-Zeugen immer wieder sage, der Name, mit dem wir GOtt anreden dürfen, ist „Vater“, und den haben weder sie noch die Muslime noch sonstwer für sich angenommen, sondern nur Christen), sondern um das, was mit dem Begriff transportiert wird. Zwischen einem Orthodoxen und einem Neupietisten gibt es sicherlich lange Diskussionen darüber, was glauben ist… dennoch sprechen beide davon.

              Unten hat Janchen den Wiki-Artikel „Christliche Spiritualität“ verlinkt. Und dabei übersehen (nehme ich an), daß das nur ein Aspekt ist, der mit dem Begriff „Spiritualität“ bezeichnet wird: die große Mehrheit der Verwendungen, zumal in der Alltagssprache, bezeichnet Esoterik.

              Und christliche Spiritualität ist eine Frucht des Glaubens. Wer um der Spiritualität willen in ein Kloster eintritt und sich allen Exerzitien unterwirft, wird dort nicht finden, was er sucht, denn die Spiritualität der anderen wird ihn nicht nähren können. Mit dem Evangelientext des kommenden Sonntags gesprochen, seine Lampe ist und bleibt leer.

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              • Rolf Krüger says:

                Spiritualität ist erstmal nur die Sensibiliät für Gott oder für etwas, das über unsere normalen Sinne hinausgeht. Das ist für sich nichts Negatives, sondern etwas zutiefst Menschliches, und uns von unserem Schöpfer eingepflanzt.

                Dass sich sowas immer unterschiedlich entwickelt und auch kuriose bis gefährliche Blüten treibt – ja. Aber du würdest gerne das Kind mit dem Bade ausschütten. Und das ist unklug – bleibt doch sonst nur ein verkopfter Glaube ohne innere Beteiligung zurück.

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                • Wolfram says:

                  So gefaßt, ist Spiritualität aber auch nicht etwas, das man in einer Gemeinde finden und bekommen kann… denn dann hat man’s eher schon und es ist der Motor, der einen auf die Suche nach einer Gemeinde treibt.
                  Und diese Definition ist sicher nicht diejenige des ersten Kommentars, auf den ich reagiert hatte.

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  5. Lilijana says:

    Wenn man eine wunderschöne, vorallem alte Kirche verkauft ist das so, als wenn man ohne zu fragen das Haus verkaufen würde in dem jemand wohnt.
    Und für mich wohnt dort jemand, Jesus, mein großer Bruder, zusammen mit unserem Vater, Gott selbst.
    Ich wäre ziemlich traurig, wenn ich ihn nicht mehr dort besuchen könnte, wo man ich ihm am nächsten ist…

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    • Janchen says:

      Für mich ist es auch eine Art Entweihung … geht gar nicht für mich.

      Eher würde ich die Kirche abreißen – als die Leuten zu überlassen, die vielleicht ’ne Disko oder Moschee draus machen…

      LG Jani

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  6. Janchen says:

    @Wolfgang

    Spiritualität http://de.wikipedia.org/wiki/Christliche_Spiritualit%C3%A4t

    Gottes Gaben sind spirituell – es sind besondere Gaben. Sie sind eine besondere Qualität der Beziehung zwischen Gott und dem Menschen.

    Gottes Gaben sind in jeder Gemeinde vorhanden – das hat er versprochen. Auch das der Heilige Geist, die Gaben verteilt. Und natürlich nicht vom Willen des Menschen abhängen.

    Kirchen sind leer, weil das Ego der Menschen im Laufe der Zeit immer größer wurde. Nicht Gemeinschaft steht mehr im Vordergrund – sondern Individualität.

    Kirche ist immer nur so gut, wir ihre Glieder.

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    • Wolfram says:

      Ich heiße nicht Wolfgang…

      einiges habe ich oben beantwortet.

      KircheN sind Menschenvereine. Manche sind voll, weil sie den Erwartungen der Menschen entsprechen, manche sind leer, weil sie das nicht tun. Entspricht aber das Wort Gottes immer den Erwartungen der Menschen? Frag mal Jona… Frag mal Hiob… Frag mal Judas… Frag mal Saulus von Tarsus…

      DIE Kirche ist Leib Christi. Glieder am Leib, die aus Ihm leben. Geistesgaben werden einigen geschenkt – aber sie sind nicht „Spiritualität“, sie sind auch nicht, was unter „christliche Spiritualität“ gefaßt wird.
      Aber Gemeindewachstum ist kein Indiz für die Glaubenskraft der Glieder einer Gemeinde!

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      • Janchen says:

        Sorry, Du heißt nicht Wolfgang – schon klar. Leider war eine Änderung nicht mehr möglich ….

        Und … Du hast einiges oben beantwortet. Mh… was heißt das jetzt? Das Deine Meinung die absolute Wahrheit ist?

        Nun, ich habe eine andere Meinung dazu.

        Im Übrigen bin ich der Meinung, dass gerade der verkopfte Protestantismus dazu führt, dass Christen mit einer lebendigen Beziehung zu Gott (auch genannt Spiritualität) in unseren Kirchen ausgegrenzt werden.

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