Es gibt vergleichsweise wenige christliche Blogs. Und sie haben kaum Wirkung in Gesellschaft und Kirche. Wenn sich das ändern soll, dann muss sich vor allem eins ändern: unsere Glaubenskultur.
Blogs sind in aller Munde. Die „neue Form des Journalismus“, die „Demokratisierung der Medien“, die stille Macht der Meinungsmacher. Ein Branchendienst titelte jüngst: „Stolpert Rüttgers über Blogenthüllungen?“ Das erste Mal in der Geschichte sah sich ein deutscher Ministerpräsident durch Veröffentlichungen von Bloggern existentiell bedrängt. Da wird die digitale Welt plötzlich ganz real.
Wie viele Blogger es auf der Welt gibt, weiß niemand, und schon gar nicht, wie viele sich davon zu Christus bekennen. Fakt ist: Die Anzahl an Blogs über Glaube, Theologie oder christliche Ethik ist im deutschsprachigen Raum überschaubar. Wir sind weit davon entfernt, dass bloggende Christen eine gewichtige Stimme in der öffentlichen Meinung darstellen würden – nicht einmal in der christlichen Medienlandschaft tun sie das.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass zur ersten christlichen Bloggertagung Ende April in Berlin nicht mehr als 20 Blogger angereist waren – aus dem ganzen Bundesgebiet. Obgleich das Medieninteresse an der Veranstaltung erstaunlich war: Berichte in RBB, Deutschlandradio Kultur, Jesus.de, Medienmagazin Pro, idea und Bibel-TV – warum ist es ein Thema, wenn sich bloggende Christen zu einer Tagung treffen?
Vermutlich, weil sich Christen tatsächlich bislang in der „Bloggosphäre“ keinen großen Namen gemacht haben. Die einflussreichen Weblogs spielen in einer anderen Liga. Schade eigentlich. Denn am Anfang waren die Christen ganz vorne mit dabei. Als das Internet in den Kinderschuhen steckte, gab es weit mehr christliche Inhalte als Pornographie. Heute ist das anders. Damals gaben Christen den Ton an – doch nun fühlen sie sich nicht mehr so recht zuhause in den Formen, die die Internetgemeinde heute hofiert: Aus der kommunikativen Einbahnstraße des Web 1.0 ist der Dialog des Web 2.0 geworden.
Heute geht es ums Gespräch statt um die Präsentation. Blogs sind nicht statisch, ihre Inhalte nicht ewig gültig. Sie spiegeln Tendenzen, denken weiter, probieren aus. Das ist weit schwerer, weit herausfordernder als einfach nur zu predigen – zumal für eine Gruppe, die für die Ewigkeit denkt, der es traditionell schwer fällt, Unfertiges zu formulieren. Wir Christen sind ungern unscharf. Wir stürzen uns nach wie vor mit Begeisterung darauf, uns selbst und gerne auch das Evangelium im Internet zu präsentieren. Aber vor echtem Dialog scheuen wir uns noch, vor unbekanntem Terrain, vor unsicherem Boden. Christen predigen lieber, als immer wieder um die Wahrheit zu ringen und ihre Erkenntnisse neu zu (be)gründen. Christen unserer Zeit sind zu viel Nach-Denker und zu wenig Vor-Denker.
Die Zahl und die Wirkung bloggender Christen wird also immer von der Entwicklung christlicher Glaubenskultur abhängig sein. Die ersten Christen waren unbequem, Martin Luther war ein Querdenker. Viele unserer Glaubensväter und -mütter würden heute bloggen. Je offener die Atmosphäre ist, je mehr experimentiert werden darf, je größer der Nährboden für mutige Gedanken ist, je offener man zugeben kann, noch nicht alle Antworten zu haben, desto mehr Christen wird es geben, die genau dies tun: weiter denken. Und Blogs sind dafür die ideale Form.
In Zeiten dagegen, in denen in christlichen Kreisen die Wahrheit in allen Einzelheiten fest steht, ein unerschütterliches Bekenntnis gilt, Prediger nicht hinterfragt werden, da bleibt das Blog ein Steckenpferd einer intellektuellen – und mit dem status quo unzufriedenen – Minderheit.
Wenn ich es mir nun wünschen dürfte, ob es mehr Blogger geben sollte oder mehr Prediger – ich würde zur Zeit die Blogger wählen. Mag sein, dass meine Wahl irgendwann wieder anders ausfällt. Aber wenn wir Menschen in einer Welt mit dem Evangelium erreichen wollen, die allergisch gegen Wahrheiten ist, müssen wir die Anstrengung unternehmen, ihnen unsere Überzeugung auf dem Weg nahe zu bringen, für den sie offen sind: Im Dialog und mit der Bereitschaft, sich auch selbst wieder ganz neu auf die Suche nach der Begründung für diese Überzeugung zu begeben. Nur so bleibt Evangelium lebendig und begreifbar für heutige Menschen.
P.S.: Der Autor ruft sich das durchaus auch selbst zu.
Der Artikel erscheint auch als Gastbeitrag im Charisma-Magazin vom 20. Juni 2010 (Titelthema Internet).
Kommentare
22 Kommentare auf "Blogs: Mehr vordenken!"
Hi!
Ich bin Christ, Blogger und Pastor!
Schau mal vorbei!
Noch Fragen? 🙂
Amen! Ich wäre gerne gekommen – aber Berlin war dann doch zu heftig…;-( – next time!
Meiner Beobachtung nach war die Hochzeit christlicher Blogs so vor ca. 3 Jahren, seit dem sind einige eingegangen oder werden nicht mehr sonderlich gepflegt – aber vielleicht täusche ich mich da auch. Und was diese komische Blogertagung betrifft: Ich kannte ausser Deinen keinen einzigen Namen, die Referenten schienen teilweise noch nicht mal einen eigenen Blog zu haben. Die Meinungen von „Karriere-Experten“ und dem Produzenten des „Video-Podcast von Bundeskanzlerin Angela Merkel“ interessieren mich, ehrlich gesagt, nicht sonderlich. Ausserdem ist das ja eines der grossen Probleme: Das die Christen immer glauben, sie müssten ihre eigene, seltsame Subkultur pflegen. Man hätte sich ja z.B. auch an der Republika beteiligen oder zumindest dort mal treffen oder überhapt mal ein Barcamp veranstalten können….
Oh, der Vortrag von Wolfgang Stock war schon herausfordernd (auch wenn ich ihn schon kannte). Und der Input von Jochen Mai (dem Karrierexperten) auch. Falls du Sorge hattest: Beide sind Christen.
Spannend finde ich, dass du dich darüber echauffierst, dass säkular erfolgreiche Leute da waren, du aber gleichzeitig bemängelst, Christen würden ihre „eigene, seltsame Subkultur“ pflegen 😉
Aber ich gebe dir Recht: Eine koordinierte Teilname an der Republica mit kleinem Panel wäre vielleicht wirklich die bessere Alternative.
B E R L I N ? Wenn ich es ein halbes Jahr vorher weiß und es mir entsprechend wichtig ist, kann ich kommen. Köln ist in Reichweite, Frankfurt/M. vielleicht auch noch.
Zunächst ist mein Blog ein privates Projekt. Erst im Kontrast zum Beruf, in dem die Ironie, die ich sehr mag, eher außen vor bleibt. Es ist viel weniger theologisch geworden als ich das geplant hatte. Weil Vor- (und auch Nach-)Denken viel Zeit benötigt.Aber der Name Theomix soll auch Programm sein, Kopf und Herz verbinden, wie der Untertitel sagt. Und beim Bloglesen fand ich – verkürzt gesagt – auf der einen Seite viele christlichen Glaubens-Blogs, die sehr ernst und fast humorlos waren (zuweilen sehr verbissen); und auf der anderen Seite war Humor, Ironie, Gedankenspiel auf der Seite der „Gegner“, der Atheisten- und Kritik-Blogs. Ich wollte beide Seiten verbinden. Und experimentiere immer noch.
Offenheit ist m. E. Teil des Profils, ich versuche das auch auf dem Blog wahr zu machen, und ich habe den Eindruck, das gelingt. Steht für mich nicht im Gegensatz zu Predigt. Offen sein bringt den Dialog – und der bringt beiden Seiten das Risiko, sich zu verändern. So wird die Suche auch immer wieder neu.
Aber ob das tiefgreifende Wirkung hat? Ist mir eher egal. Ich mache erst mal weiter…
@Rolf
„säkular erfolgreich“, was für ein Kriterium. Nein, darum ging es mir überhaupt nicht, und echauffiert habe ich mich auch nicht. Ich wunderte mich höchstens, das bei einer „christlichen“ Bloggertagung nicht mehr Input von Leuten kommt, die „christlich“ Bloggen (whatever that means – vielleicht http://www.theoblog.de oder Storch Schmelzer), aber vielleicht habe ich das Konzept auch überhaupt nicht verstanden. Ob und wie Leute „erfolgreich“ sind, wäre mir als potenzellem Teilnehmer völlig wurst.
Noch ein anderer Gedanke: Vor 5 Jahren waren Blogs ja *das* Ding, aber meinem Empfinden nach ist das mittlerweile ziemlich in den sonstigen Gebrauch des Netzes eingegangen. Interessant fände ich, wenn überhaupt, eher die Frage, wie eine „spirituelle“ Netzkultur aussehen könnte, die eben nicht mehr nur in einer Einwegskommunikation stattfindet, die man ja aus den meisten Gemeinden kennt. Was vor 5 Jahren zu Blogs gesagt wurde, dürfte immer noch auch für „christliche“ Blogs gelten, da könnte man den Fokus auch mal erweitern. Und, wenn ich schon bei Spiritualität bin, auch mal auf andere Strömungen und Gegenden. Vielleicht gibts ja ein paar super organisierte französische Buddhisten, von den man was lernen könnte…
Hallo Alle miteinander,
ich bin Christin und Bloggerin. ;-)))
Wer Lust hat, kann ja mal reinschauen. Mein Blog ist auch mit einem nicht-christlichen Forum, dem aber auch Christen angehören verbunden.
LG … Seid Behütet!
Christiane
Lieber Rolf!
Ich danke Dir für Deinen Beitrag, muß Dir aber in folgenden Punkten widersprechen:
1. Ich nehme an, daß es Theomix ähnlich wie ich empfunden hat: Die Information über die bevorstehende Blogger-Tagung hat mich vielleicht einen Monat vorher erreicht (ich bin sehr regelmäßig auf namhaften christlichen Seiten, sodaß es wohl nicht an mir lag). Und da Berlin (von Mainz aus) nicht mal eben um die Ecke ist, war die Sache recht schnell gegessen.
2. Ich blogge seit einiger Zeit, sicherlich nicht täglich. Aber das Interesse an meinen Inhalten scheint nicht so sonderlich groß zu sein – zumindest gibt es kaum Kommentare, obwohl ich mich immer wieder in anderen Blogs herumtreibe, etc. Aber gut, sowas mag dauern, auch von anderen gelesen zu werden.
3. Ich verstehe Deinen Aufruf durchaus, daß Christen mit theologischen Inhalten im Web präsentieren sollen. Aber ich persönlich poste lieber nur 1x pro Woche, und dann ausgreifter, als wenn ich jeden Tag irgendeinen Senf schreibe oder mal eben formuliere, was mich so alles stört. Da halte ich es mit Wolf Schneider und lese meinen nächsten Blog-Eintrag lieber 1-2x zuviel.
4. Wenn ich mir deinen Blog ansehe, finde ich auch nicht allzu viele Einträge, oder?
Versteh mich bitte nicht falsch: Ich unterstützte Deine Intention, aber es ist halt nicht immer so einfach. Wenn ich einen ordentlich Blog-Eintrag verfasse, dauert das insgesamt mal schnell einen halben Tag, zusammengerechnet. Natürlich soll solch ein Eintrag noch Offenheit für Diskussion lassen und nicht bloß eine neue Meinung oder Wahrheit präsentieren. Aber trotzdem erwarte ich persönlich von Blogs mehr als nur mal eben schnell formulierte Ideen. Dafür ist mir meine Zeit einfach zu schade.
Soviel von mir. Herzliche Grüße trotz aller Kritik,
Philipp
Phil,
ich stimme dir in allem zu und empfinde es ähnlich. Ich meinte auch nicht die Quantität von Blogeinträgen. Schön wäre es, wenn es überhaupt ein paar mehr fromme Blogger geben würde, die ein wenig gesellschaftlichen Einfluß haben.
Ich selbst schreibe ebenfalls aus Zeitgründen wenig. Leider. Aber mit zwei kleinen Kids kommt man zu nicht so viel 🙂
Liebe Grüße,
Rolf
Tja Rolf, du siehst – es gibt mehr von uns als du denkst. Aber Blogger bloggen eben aus Überzeugung, nicht „to draw a crowd“ – insofern spricht das geringe Echo der Tagung eher für Schwächen in Werbung oder aktiver Vernetzung untereinander – aber nicht mehr für das Primat der Predigt bei christlichen Internetprojekten. Wir jedenfalls bei ERF Online haben in den letzten 3 Jahren einen ziemlichen Paradigmenwechsel weg von Information hin zur Interaktion gefahren. Und unsere Blogs sind ein Teil davon.
Hi Jörg,
Ja, das habt ihr. Steht bei euren meisten Projekte aber nicht trotzdem die Predigt (im Sinne von Verkündigung) im Vordergrund? Auch wenn man einen interaktiven Kurs macht, ist es nicht immer das Ziel, dem Teilnehmer die christliche Lehre zu vermitteln? Natürlich in den
Nuancen geprägt durch diejenigen, die die Texte oder Videos verfassen. Aber es bleibt trotz Interaktivität eine Einbahnstrasse, wenn der Veranstalter nicht die gleiche Offenheit und Bereitschaft zur Veränderung mit bringt wie er vom Teilnehmer erwartet. Oder?(Vielleicht schätze ich auch eure Kurse falsch ein, habe bisher nur das „Jesus-Experiment“ angefangen.)
LG,
Rolf
Hi, ich hab von der Tagung erst spät erfahern und Berlin war mit doch zu weit weg, wobei mich auch die Inhalte u. Themen nicht sonderlich angesprochen haben.
Ich versuche auf meinem Blog Politik und Zeitgeschehen aus einem christlich-evangelikalen Blickwinkel zu betrachten. Gerade hier finde ich ist viel Raum für Austausch gegeben. Viele Christen verkürzen christliche Politik leider nur auf Anti-Abtreibungskampagnen und vergessen dabei wichtige Sachen wie soziale Gerechtigkeit etc.
Wer hat, kann gerne vorbeischauen und mitreden…
LG, Stefan
Du sprichst mir aus dem Herzen. Doch auf diesem Wege werden wir sicherlich alle noch viele Fehler machen.
@Rolf: Danke für Deine Offenheit gegenüber meiner Kritik.
Was mich doch jetzt mal interessieren würde: Wie können wir es schaffen, noch besser sowohl untereinander als auch zu nicht-christlichen Blogs etc. vernetzt zu sein?
Folgendes dazu: Ich treibe mich regelmäßig auf diversen Blogs herum; poste hier und da mal was; versuche, meinen eigenen Blog zumindest 1x wöchentlich zu aktualisieren; bin in Foren, Facebook, etc. Und trotzdem scheint es so, als ob mir vieles durch die Lappen geht. Klar, man kann nicht alles wissen bzw. lesen, und gerade damit kann man sich auch wiederum super stressen, als ob man immer und überall up to date sein müßte.
Aber wenn Du, Rolf, recht damit hast, daß wir Christen mal wieder „hinterherlaufen“, dann müssen wir uns natürlich fragen, woran das liegt.
Hat jemand von Euch da schon Sachen, die er/sie weiterempfehlen kann?
Hi, leider kann ich nur einen Kommentar sehen. Mach ich da was falsch?
Vielen Dank jedenfalls für die guten Worte zum Bloggen!
Johannes von der vita
Du musst auf „Ältere Blogs klicken“, ganz unten.
Liebe Grüße,
Rolf
Was die Politik angeht haben wir Carta.info, wenn es um Games geht Polyneux.de und wenn ich wissen will was im Ruhrpott los ist schaue ich bei Ruhrbarone.de vorbei. Das sind natürlich nur Beispiele…
Aber gibt es einen christlichen deutschsprachigen Gemeinschaftsblog?
Was würde passieren wenn Storch, der Wegbegleiter, Martin Dreyer und andere bekannte christliche Blogger gemeinsam etwas starten würden?
Hallo,
was ist denn aus den ganzen Überlegungen geworden?
Gruß
alex
Naja, so konkret waren die Überlegungen ja nicht. Es gibt heute ein paar mehr aktive Blogger, habe ich das Gefühl – mal sehen, wie sich das entwickelt.
Also ich war auf der zweiten christlichen Bloggertagung dieses Jahr und auch wenn es nicht so viele Leute waren, war ich begeistert davon. Kann es auf jedenfall nur empfehlen und hoffe das es von Jahr zu Jahr mehr christliche Blogger werden. 😉
„Man sollte an die Grenzen gehen, denn: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“, dass meint Pastor Hans-Georg Peitl, der Heraussgeber des österreichischen Boten, http://jachwe.wordpress.com, „Ich glaube nämlich das Konfertieren von Christen von einer Konfession zur anderen und umgekehrt ist sinnlos.
Wir sollten schauen, wie man Menschen erreicht, die man ansonsten niemals erreichen könnte und dazu gehört, so wie Paulus in Athen die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen.“
Ich bin zwar keine Bloggerin, aber ich LESE christliche Blogs und ich finde, man sollte seinen Glauben stark und selbstbewusst nach außen tragen.
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