Erinnert ihr euch? Sex in Schweden gibt es nur noch nach schriftlicher Einverständniserklärung – vor einigen Monaten geisterte solcher Spott durch Presse und soziale Netzwerke. Diese Woche wurde das Gesetz verabschiedet. Es täte auch uns gut.
Nein, an IKEA-Betten und -Küchentischen ist auch zukünftig kein Formular- und Bleistiftstummelspender aus Plexiglas angebracht, um im Fall der Lust eine Einverständniserklärung griffbereit zu haben. Das Gesetz legt lediglich fest, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: „Das schwedische Parlament zeichnet ein Bild von einer Welt, in der Sexualpartner aufeinander achten und sich vergewissern, dass der andere auch will, was man gerade macht. So, wie es bei sexuellen Begegnungen immer sein sollte“, schreibt Sylvia Steinitz in ihrer stern.de-Kolumne treffend.
Niemand sollte gegen den eigenen Willen Sex haben, nur weil man nicht rechtzeitig „nein“ sagen konnte. Dazu fehlt manchmal einfach die emotionale Kraft. Oder man möchte dem Gegenüber durch eine Zurückweisung nicht weh tun. Oder man fürchtet, eine sowieso belastete Beziehung weiter zu gefährden. Es gibt tausend Gründe, nicht „nein“ zu sagen, obwohl man nicht „ja“ sagen würde. In Zeiten, in denen nicht einmal unsere E-Mail-Adresse ohne unsere ausdrückliche Zustimmung verarbeitet werden darf, gehört die Rechtsauffassung „Jeder kann Sex mit mir haben, solange ich mich nicht wehre“ auch hierzulande möglichst zügig in die Mottenkiste.
Im Übrigen (und ist das nicht ebenso selbstverständlich?) ist auch die Eheschließung kein Freibrief für Sex ohne Konsens. Auch Ehepartner haben nicht immer Lust und müssen selbiges natürlich auch gegenseitig respektieren. In Deutschland ist das erschreckenderweise erst seit 1997 Gesetz. Und es darf befürchtet werden, dass die Realität in vielen Schlafzimmern auch heute noch anders ist.
Aber es geht nicht nur ums Äußerste: Der Bett-Alltag keines Paares besteht aus Dauer-Erektion und Non-Stop-Eisprung. Streß, ein voller Kopf, ein schwelender Konflikt oder einfach nur nicht der richtige Hormoncocktail: Dass beide häufig gleichzeitig Lust haben, ist (jenseits der ersten Schmetterlinge) vermutlich eher die Ausnahme. Immer wieder wird es so sein, dass die Lust zunächst einseitig ist und wir uns anschicken, unser Gegenüber zu umgarnen, zu erregen und heiß zu machen. Das erotische Spiel gehört zu gutem Sex und manchmal wird dabei die Lust geweckt, manchmal eben auch nicht und manchmal lassen wir uns einfach darauf ein, auch wenn wir eigentlich gerade lieber unsere Ruhe hätten. Das kann ok sein oder gerade eben nicht mehr. Es ist ein schmaler Grat zwischen Lust machen und das fehlende „nein“ des Gegenübers auszunutzen, um letztendlich uns selbst zu befriedigen.
Im Kern geht es um etwas ganz Einfaches: aufeinander zu achten, statt nur an das eigene Glück zu denken. Und darum, die eigene momentane Lust nicht selbstverständlich auch beim Gegenüber vorauszusetzen. Es ist eine Grundhaltung, die viel verändert.
Der Konsens muss auch nicht verbal sein: Körpersprache kann sehr klar und zugleich höchst anregend sein, vor allem, wenn man sich gut kennt und die Sensibilität füreinander da ist. Aber genauso muss auch der respektvolle Raum für ein „nein“ bestehen – in welcher Form auch immer es geäußert wird. Und zwar ohne Sorge haben zu müssen, der andere nähme uns diese freie Entscheidung übel. Wenn wir alle davon ausgingen, dass uns nichts „zusteht“, sondern wir uns Sexualität einander freiwillig schenken, dann wären Schlafzimmer (und Küchentisch) ganz schnell ein (noch) besserer Ort. Nichts anderes wollen die Schweden erreichen.
Weder Frischverliebten noch langjährigen Paaren tut am Ende die Frage weh: Möchtest du? Ist das ok? Gefällt dir das? Die Frage übt, einander zu vertrauen, ehrliche Antworten zu bekommen – und geben zu dürfen. Wer befürchtet, eine Abfuhr zu bekommen, sollte die Frage umso dringlicher stellen. Denn dann ist die Situation scheinbar doch nicht so eindeutig – und Sex vielleicht heute einfach nicht dran. Für diese Nacht mag man leer ausgehen, der Beziehung aber wird es gut tun, einander in Lust und Unlust wertzuschätzen und für den gemeinsamen Spaß immer ein klares, gemeinsames „ja“ zu haben. Das macht gute Beziehungen aus. Und guten Sex. Selbstverständlich. Und nicht nur in Schweden.
Kommentare
2 Kommentare auf "Konsens im Bett – nicht nur in Schweden!"
Eine gute Einrichtung. Das täte uns sicher auch gut. Aber wir machen ja alles mit.
„der Beziehung aber wird es gut tun, einander in Lust und Unlust wertzuschätzen und für den gemeinsamen Spaß immer ein klares, gemeinsames „ja“ zu haben. Das macht gute Beziehungen aus.“ ein schönes Fazit, kann ich als frisch verheirateter Mann bekräftigen 🙂
Habe auch den nachvollziehbaren und hilfreichen Stern-Kommentar gelesen, danke für den Link. Ich kann mir die positiven Auswirkung eines Gesetz für eine Sexualität, in der Zustimmung und nicht eine explizite Ablehnung nötig ist, gut vorstellen. Andererseits muss auch die Begrenztheit eines solchen Gesetzes gesehen werden – bei derart privaten Dingen wie Sexualverkehr, der fast immer ohne Zeugen (no pun intended 😉 ) stattfindet, kann kein Gesetz 100%ige Klarheit bringen, weil im Zweifelsfall immer Aussage gegen Aussage steht.
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