Hipster Christianity: Coole Kirchen auf dem Egotrip?

Irgendwie hätte ich es schon gerne in meinem Bücherregal stehen, mit diesem schicken, rostroten Cover: „Hipster Christianity – when church and cool collide“ von Brett McCracken. Stattdessen fristet das Buch digitalerweise sein Dasein in der Kindle-App auf dem iPad. Zum stilvollen Glänzen kurioserweise ungeeignet.

Dabei geht es in diesem neuen Buch genau darum: Um Hipster, also um die Leute, die gerne stilvoll auffallen, mit einer Vorliebe für American-Apparel-Klamotten, Fossil-Uhren, schwarze Hornbrillen, Programmkinos, Blümchen-Tapeten, iPhones, Jazz und Bio. Und einer geflissentlichen Abneigung gegen alles, was „normal“ ist. Sie wählen ihren Look, ihre Musik, ihre Bücher sehr bewusst. Sie möchten sich von der Gesellschaft abheben und setzen stets Akzente gegen den gerade aktuellen Trend.

Wer einen Grunddrang verspürt, bewusst das nicht haben zu wollen, was gerade etabliert ist, dessen Chancen stehen gut, ein Hipster zu sein. Ein paar astreine Hipster gibt es regelmäßig unter www.stilinberlin.de oder thesartorialist.blogspot.com zu bewundern, aber wie überall gibt es auch hier viele Abstufungen.

Hipster sind meist links, in Amerika wählen sie Obama, in Deutschland die Grünen (selten SPD – das wäre „zu üblich links“). Sie sind gebildet, engagieren sich oft politisch oder sozial. Manche sind versnobbt, manche sind Hippies, viele sind Künstler oder stehen auf Kunst (und Kitsch, aber nur als ironisches Zitat). Sie lieben die Einfachheit, aber sie haben MacBooks. Das ist für sie kein Widerspruch, sondern Ausdruck eines Lebensgefühls. Hipster machen es anders als die Masse, kokettieren aber auch mal mit dem Mainstream – den Witz versteht nur, wer genauso tickt, aber das reicht. Hipster sind mit einer seltsam kindlichen Freude subversiv. McCracken würde es „das Bedürfnis, cool zu sein“ nennen, ich würde es „das Bedürfnis nach Veränderung “ nennen. Mehr dazu später.

Hipster Christianity nach McCracken

Die moderne, christliche Variante des „Hipstertum“ beschreibt McCracken als eifrig darin bestrebt, die vorherrschende evangelikale Kultur und Glaubensdidaktik hinter zu sich zu lassen, zugunsten einer an der aktuellen Jugendkultur orientierten Präsentation des Evangeliums: Junge Gemeinden, entweder in alten Lagerhallen (mit Tonnen von Technik, Mega-Bildschirmen, Videos, viel Musik, Nebelmaschinen und Bier nach dem Gottesdienst) oder in uralten Kirchen (mit Overheadprojektor, Chorälen und liturgischem Abendmahl). Hauptsache anders als die Kultur des frommen Seeker-Sensitive-„wir wollen zeitgemäß sein, also brauchen wir Schlagzeug, Beamer und Theaterstücke im Gottesdienst“-Mainstreams, den unsere Eltern noch so bedrohlich revolutionär fanden. Back to the roots ist ein wichtiges Moment unter frommen Hipstern.

Damit einher geht eine neue Betonung der sozialen Dimension des Christseins: Hope 2011, Micha-Initiative, solche Diakonie-Aktionen hätten vor dreißig Jahren noch allergische Schübe bei den meisten Evangelikalen ausgelöst. Sie wähnten „Diakonie“ gleich mit einer Entkernung der Guten Nachricht durch ein Sozialevangelium. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die „Liberalen“ nehmen wieder Worte wie Glaube und Nachfolge in den Mund. Und selbst für Kern-Evangelikale wird es wieder salonfähig, sich für die Bewahrung der Schöpfung zu engagieren und Diakonie ohne Notwendigkeit einer „Das-ist-gelebte-Evangelisation“-Rechtfertigung zu betreiben – sondern einfach aus Nächstenliebe.

McCracken versucht in seinem Buch das Gesamtbild „Hipster Christianity“ zu beleuchten, von der Entstehung des modernen Hipsters über die Schlagworte „emerging church“ und „missional“ bis hin zu Portraits der derzeitigen In-Gemeinden wie den beiden „Mars Hills“ von Mark Driscoll und Rob Bell, Grace Church Hackney in London, Mosaic von Erwin McManus oder Ressurection Presbyterian in Brooklyn.

Er analysiert die verschiedenen Ausprägungen des Phänomens, von den „natural hipster congregations“ in Amerika und Europa bis hin zu den „wannabe hip churches“, die nur auf den Zug aufspringen wollen. Insgesamt ein beeindruckendes Stück Arbeit, das hinter dem Buch stecken muss.

Cool und egozentrisch?

Nichtsdestotrotz hat mich das Buch insgesamt enttäuscht. Denn immer wieder betont McCracken seine Definition des „Hipsterseins“ über den Begriff der  „Coolness“. Er definiert Hipster (auch die christlichen) vor allem über ihre Kleidung, ihren Look und Stil, „mangels anderer mehrheitsfähiger Definition“, wie er selbst zugibt.  Hipster kann man seiner Meinung nach immer „auf den ersten Blick erkennen“. Nach Ansicht von McCracken liegt für Hipster im Fokus all ihres Tuns die „Coolness“, die Abgrenzung, die Rebellion um des Andersseins willen. Seine Schlussfolgerung: Wer cool sein will, der müsse zwangsläufig egozentrisch sein, überheblich und elitär. Er müsse versuchen, Neid zu erzeugen, er jage im Grunde mit seinem ganzen Sein äußerlichen Nichtigkeiten hinterher. Und das alles vertrage sich nicht mit dem Evangelium, weshalb es für einen Christen schwierig sei, Hipster zu sein, mit all den unklaren Abgrenzungen, den uneindeutigen Haltungen zu politischen, ethischen und sexuellen Themen. Junge, Junge, im Verlauf des Buches wird McCracken erstaunlich reaktionär (was man im Grunde auch vorher hätte ahnen können aufgrund des Untertitels „When church and cool colide“).

Geradezu gönnerhaft bemerkt er am Schluss, wir müssten durchaus auch mit der Existenz von „aufrichtigen Hipstern“ rechnen, „die Indie-Rock tatsächlich wegen dessen musikalischer Innovationsbereitschaft mögen, nicht nur wegen dessen Image, […] und die Chucks, Hornbrillen und enge Jeans anziehen, weil sie wirklich diese Ästhetik lieben“. Von dieser Art, Hipster zu sein, könne sich die restliche Christenheit sogar eine Scheibe abschneiden: Gottes Kreativität in den kleinen Dingen zu sehen und in ihnen die Hinweise auf das großartige Reich Gottes zu erkennen. Gleich im nächsten Satz folgt aber der mahnende Hinweis auf den schmalen Grat zwischen „Christlicher Freude“ und Hedonismus. Ich kann zur amerikanischen Gemeindeszene sicher kein abschließendes Urteil geben. Aber je weiter ich in dem Buch kam, desto mehr bestärkte sich mein Eindruck, dass der Autor das Phänomen trotz aller Hingabe, mit der er sich der Analyse widmet, nicht hundertprozentig verstanden hat.

Zwei Fehler

Aus meiner Sicht begeht der Autor zwei große Fehler: Erstens vermischt er den Typus des „Hipsters“ mit der generell zurzeit vorherrschenden In-Kultur. Vintage ist „in“, Bio ist „in“, das hat aber nicht immer so viel mit Hipstertum zu tun. Im Gegenteil: In ein paar Jahren werden die Hipster stilistisch schon weitergezogen sein.

Zweitens – und das ist noch viel kritischer – übersieht er, dass es eigentlich um „cool“ gar nicht geht. Eine Reduktion auf „cool“ zielt vorbei am Selbstbild jedes Hipsters. Wenn ich richtig deute, auf was er eigentlich mit dem Kunstbegriff „Hipster Christianity“ meint, dann erkenne ich eher das Stichwort „Erneuerung“ als maßgeblichen Aspekt des Hipster-Gens. Bei aller Oberflächlichkeit, die McCracken den Hipstern vorwirft, erscheint er mir selbst reichlich oberflächlich im Verständnis und der Bewertung.

Gestatten: Karl Barth, Hipster!

Aber das Buch hat mich angeregt, das Thema noch mal intensiver zu beleuchten. Vieles analysiert McCracken richtig, seine Beobachtungen sind gut. Nur seine Schlüsse erschließen sich mir nicht. Was ist das wirkliche Geheimnis dieser Spezies „Hipster“, von denen sich auch viele in unseren deutschen Gemeinden tummeln (und deren DNA ich auch bei mir entdecke)?

Bezeichnenderweise gibt es keinen brauchbaren Wikipedia-Artikel zu dem Begriff, obwohl die heutigen Hipster die klassischen „Digital Natives“ sind. Hipster ordnen sich selbst ungern einer Bewegung zu. Der Begriff „Hipster“ bezeichnet eigentlich eine urbane Subkultur der 50er Jahre, eine relativ intime Gruppe avandgardistischer, Jazz-Musiker und Dichter. Was man heute als Hipster bezeichnet (und über was auch McCracken spricht) ist im Grunde der Typ Mensch, den es zu allen Zeiten in allen Gesellschaften gegeben hat: Der junge, gebildete Vordenker, häufig aus dem Künstlermilleu oder dem Bürgertum (oder einer vergleichbaren Schicht in anderen Kulturen). Er könnte den Erwartungen der Gesellschaft voll entsprechen, würde er sich dem nicht auf mehr oder minder subtile Weise verweigern, aufgrund des natürlichen Bedürfnisses, anders zu sein.

Schon immer hat diese Gruppe im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen das Establishment rebelliert und wo es ging hat sie sich vermutlich schon immer auch durch ihre äußere Erscheinung vom Mainstream abgegrenzt (weil es ihr zutiefst unangenehm ist, so zu sein wie alle). Vor allem aber tat sie es durch ihre Weltsicht. In Zeiten und Regionen, in denen es diese Gruppe nicht gab (bzw. sie nicht zum Zuge kam), hat sich die Gesellschaft auch nicht weiter entwickelt. Es brauchte schon immer die Mischung aus Bildung und Mut zum Anderssein, um die Gegenwart zu hinterfragen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Masse folgte dann mit Verzögerung – die „Hipster“ aller Zeiten und Länder waren dann schon längst wieder einen Schritt weiter.

So gesehen waren Leute wie Martin Luther und Karl Barth klassische Hipster: Kritische Stürmer mit dem Wunsch, etwas zu verändern. Wenn man davon ausgeht, dass Gott jedem Menschenschlag gewisse Gaben gegeben hat, um der Gesellschaft zu dienen, dann ist die Gabe der Hipster eindeutig, diese Gesellschaft über ihren eigenen Horizont hinaus blicken zu lassen, sie in Bewegung zu halten. Gott hat ihnen aufs Herz gelegt, den Status quo zu hinterfragen. Da die ganze Schöpfung auf Wachstum und Entwicklung hin ausgelegt ist, verwundert das nicht. Gott will nicht, dass die Menschheit stehen bleibt. Das hat er im Alten Testament nie gewollt, im Neuen schon gar nicht. Gott will, dass sich die Menschheit weiter entwickelt.

Erneuerung

Deshalb halte ich „Erneuerung“ für das richtige Schlüsselwort bei unserem Thema. Hipster haben ein feines Empfinden dafür, wenn etwas nicht mehr in die Zeit passt, wenn etwas Neues dran ist. Sie spüren, wenn es ungesund ist, so weiter zu machen wie bisher. Sie merken auch seismographisch genau, wenn etwas nicht mehr rund läuft, wenn es im Getriebe der Gesellschaft, einer Organisation oder einer Gemeinde kracht. Sie haben ein Auge für Ungerechtigkeit, Lügen und falsche Fassaden.

Dagegen setzen sie nicht die offene Kritik oder den Kampf, sondern die Andersartigkeit. Das drückt sich in der Kleidung, im Musikstil, in ihrer Kunst und in ihrer Literatur aus. Vor allem aber in ihrer Art, zu Leben, zu Denken, zu Handeln.

Nun gibt es für Hipster zwei Arten, ihre Kritik auszudrücken: Manche bleiben in der Unzufriedenheit mit dem Status Quo stecken und werden zu ewigen Nörglern. Sie ziehen sich in ihre Anders-Welt zurück und gucken vom hohen Ross auf das arme, unwissende Volk herab. Das ist die unangenehme, versnobbte Variante, auf Dauer eher ungesund.

Die anderen Hipster aber möchten wirklich etwas bewegen. Stets mit Nachdruck, meist mit einer ironischen Note, aber selten lautstark. Sie stehen auf subtilen Protest. Kunst, Publizistik, Politik: „Heilsame“ Hipster sind  in gewisser Weise von jeher das Schmieröl gesellschaftlicher Weiterentwicklung. Vordenker, Querdenker, Intellektuelle, Künstler – sie sind diejenigen, die verhindern, dass die Welt sich auf einem Niveau einrichtet.

Auf diesem Hintergrund müssen wir das Thema Hipster Christianity sehen.

Gefallene Grenzen und der „dritte Weg“

Warum dieses Phänomen gerade im Moment so eine Breitenwirkung erfährt (irgendwie will jede einigermaßen junge Gemeinde gerade kulturell relevant sein), ist einerseits den Medien geschuldet, die kulturelle Identität zu einem Thema für die Massen gemacht haben. Was aber unsere Zeit gegenüber früheren vor allem einmalig macht ist die Auflösung dessen, was bisher das Leben der gesamten Menschheit getaktet hat: Grenzen.

Eisenbahn, Auto, Flugzeug und Telefon hoben die geographischen Grenzen auf. Mit dem weltweiten wirtschaftlichen Zusammenwachsen fielen die politischen. Und zuletzt kamen Internet, SMS und Twitter in unseren Alltag und fällten auch noch die zeitlichen Grenzen.

In Wirklichkeit geht es aus meiner Sicht bei dem, was McCracken „Hipster Christianity“ nennt, um den Wandel von einem sich durch Grenzen definierenden Glauben hin zu einem beziehungs- und prozessorientierten Christsein. Das Schlagwort des „dritten Weges“ beschäftigt im Moment viele Christen. (In diesem Zusammenhang eine herzliche Einladung zum Emergent-Forum im November in Essen mit genau diesem Thema!)

Es geht um ein Christsein, das im Vergleich zum in den letzten Jahrzehnten verbreiteten, eher enggeführten, bipolaren Denken deutlich mehr Weite kennt. Der Blick einer wachsenden Anzahl Christen in unserer Kultur geht heute weg von den meist sexual- und kulturethisch fokussierten Abgrenzungsfragen hin zu den Fragen nach persönlicher gesellschaftlicher Verantwortung, Bewahrung der Schöpfung, experimenteller Spiritualität, Einfachheit, nach dem Geheimnisvollen am Glaubens. Es geht ihnen darum, mit anderen zusammen Gott (neu) zu entdecken, statt als wandelnde „How-to-Guides“ für Lebensfragen die Gesellschaft zu nerven. Im Visier ist nicht mehr die „böse Welt“, stattdessen sind es die Schwierigkeiten innerhalb unserer gefallenen Welt: Ungerechtigkeit, Gewalt, Armut. Diese Denke geht weg vom Festlegen von Wahrheiten hin zum permanenten Hinterfragen des eigenen Denkens und Handelns.

Natürlich hat das ganz viel mit der Mentalität eben dieser urbanen Kultur unserer Generation zu tun, die sich befreit hat von den Zwängen der 90er und nun in einer globalisierten Gesellschaft der unendlichen Möglichkeiten ihren Weg sucht. Grenzen gibt es nicht mehr – gefragt sind nun Ankerpunkte! Das beeinflusst auch die Spiritualität in großem Maße. Viele von uns empfinden eine Definition des Glaubens durch Demarkationslinien (zu Recht) als anachronistisch. Und genau deshalb haben sie auch genug von den ewigen Diskussionen über die Grenzen zwischen Sünde und Erlaubtem, haben genug von Abgrenzungs- und Zeigefingerrhetorik und können keine Bekehrungsaufrufe mehr hören. Es fällt ihnen schwer in Kategorien wie „drinnen und draußen“, „verloren und gerettet“, „richtig und falsch“ zu denken. Viel näher liegen ihnen andere Maßstäbe wie Nähe (zu Gott und zu meinem Nächsten), Ausrichtung (hin auf meine Bestimmung, sie sich an meinen von Gott gegebenen Gaben festmacht), Entwicklung (meiner Persönlichkeit und meines Glaubens), Verantwortung (vor Gott und den Menschen).

Es ist ein Christsein, das Spannung aushält, ja sogar aus ihr lebt, so wie die Erde um die Sonne kreist oder ein Elektron um seinen Atomkern. Es geht um Beziehung im wahrsten Sinne des Wortes, in einer sich laufend ändernden und dennoch stabilen Balance zwischen Anziehung und Abstoßung, zwischen Nähe und Ferne, zwischen klarer Sicht und Nebel, zwischen Intimität zu Gott und seiner Unverfügbarkeit.

Es erscheint ihnen unsinnig, feste Glaubensgebäude aufzubauen, die uns schützen sollen, und die in Wirklichkeit wir ständig schützen und verteidigen müssen. Sie können mit der traditionellen Rede von Gottes Wort als Fundament nicht so viel anfangen wie mit dem biblischen Bild des Ecksteins Jesus Christus, dem Mensch gewordenen Wort, der alles zusammen hält. Die „Gehörst-du-zu-uns“-Frage lautet nicht mehr „Bist du gläubig (in unserem Sinne)?“ sondern „Suchst du Gott (wie auch wir)?“.

Für klassisch-evangelikale Ohren klingt das gefährlich nach Beliebigkeit, nach Aufweichung des Evangeliums, nach Baukasten-Religion. Das stimmt aber nur bei oberflächlicher Betrachtung. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einer Freundin, die beim Begriff Emerging Church sofort sagte: „Das sind doch die Leute, die die Wahrheit verleugnen und die Bibel nicht ernst nehmen, richtig?“ Leider tendieren viele Christen dazu, auf Schlagwörter zu reagieren statt auf das, was dahinter steht. So jemand wird sich tatsächlich schwer tun, die feste Burg „Christentum“ gegen eine ewig spannende und spannungsvolle Beziehung mit dem lebendigen Gott einzutauschen, in der festgesteckte, leicht abzuarbeitende Regeln keine Rolle spielen.

Für immer mehr Christen aber ist dies die ehrlichste Form des Glaubens. Sie möchten sich aufmerksam und lernwillig um die Person Jesus Christus formieren, auf Augenhöhe mit denjenigen, die man traditionell als Nichtchristen bezeichnen würde, weil es kein „drinnen“ und „draußen“ gibt, sondern nur ein „nah“ und ein „fern“, unterschiedliche, sich immer wieder verändernde Beziehungen zu unserem Schöpfer. Einem, der uns als charaktervolles Gegenüber versteht, der uns Verantwortung überträgt (was im Übrigen der Frage nach Schuld eine viel höhere Bedeutung als in einem Burg-Glauben gibt) und der will, dass wir unsere Welt und unsere Gesellschaft aktiv gestalten. Der unsere Schuld ernst nimmt, der aber liebend gern vergibt.

Dass es ein Bedürfnis dieser Menschen ist, ihre Gemeinden, ihre Gottesdienste, ihre Anbetung  auch äußerlich so zu gestalten, wie es ihrem Lebensgefühl entspricht, ist dann nicht mehr so erstaunlich. Ja, diese Gemeinden wirken cool, weil der Stil eben der postmodernen Kultur entspricht, einem natürlichen empfinden nach einem stimmigen Bild. Aber sie sind nicht cool um der Coolness willen, um andere zu beeindrucken, um junge Menschen zu angeln (die gibt es auch zur Genüge, denen merkt man das aber auch an).

In diese Denke einzusteigen scheint mir McCrackens Schwierigkeit zu sein. So wird das Buch ein wenig zu einer Abrechnung mit den aus McCrackens Sicht viel zu liberalen „Hipster“-Gemeinden. Obwohl der Autor selbst sich aufrichtig bemüht, wird er dem Phänomen als solchem zumindest aus europäischer Sicht leider nicht gerecht.

Für Interessierte noch zwei Interviews mit dem Autor:

http://www.youtube.com/watch?v=KckaKR0xxJY&sns=em

http://vimeo.com/15135970

(Schicke) Seite zum Buch: www.hipsterchristianity.com

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Kommentare

10 Kommentare auf "Hipster Christianity: Coole Kirchen auf dem Egotrip?"

  1. Christoph Schmitter says:

    Sorry, hatte keine Zeit, den kompletten Post zu lesen. Hab nach der Hälfte aber glaub ich verstanden, wie Sie das Buch sehen und bin froh um die differenzierte Kritik an selbigem. Hatte anfänglich anderes befürchtet.

    Ich brauchte nur den Titel des Buches zu lesen und dachte gleich: „Wird sich wohl um einen pauschalen Rundumschlag gegen neue Gemeindeformen handeln von einem Menschen, der die Kultur dieser Leute nicht verstanden hat.“

    Wozu etwas lesen, was schon im Artikel nach arrogantem Next-Generation-Bashing riecht?

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  2. nasumi says:

    Danke für die gute Rezension! Beim Lesen dieser habe ich mich gefragt, ob McCracken „christliche Hipster“ auch persönlich kennt, oder nur aus der „ferne“ analysiert hat? Geht das aus dem Buch hervor?

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    • Rolf Krüger says:

      Er ist wohl viel herumgereist, hat etwa 20 „Hipster-Gemeinden“ besucht und auch mit Pastoren und Mitgliedern gesprochen. Es scheint mir aus den Beispielen, die er erwähnt, schon so, dass er nicht wie der Pinguin von der Wüste erzählt.

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  3. Danny says:

    Siehste, bald sind die Teestuben-Stricksocken-Birkenstock-Christen wieder hip. What goes around comes around.

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  4. Chris says:

    Ich habe das besprochene Buch nicht selber gelesen, bin durch deine Ausführungen aber durchaus neugierig geworden. Ganz subjektiv teile ich manche Beobachtung von Brett McCracken, fühle mich zugleich in manchen Dingen selbst ertappt und möchte mich rechtfertigen.
    Natürlich meine ich es mit meinem Glauben ernst und gerne will ich am 10.10.10 im Gottesdienst möglichst viele Daumenabdrücke nehmen, nicht weil es im Trend liegt, sondern weil ich von der Richtigkeit überzeugt bin. Als Stachel bleibt, dass in den aktuellen Erscheinungsformen von aktueller Kirche eine Prise zuviel Attitüde steckt. Die manchmal (z.B. Stichwort „green&fairIT“, CO2-Bilanz eines HillsongKonzertes, usw.) der Glaubwürdigkeit meines Zeugnisses Risse zufügt. Vielleicht ist es verfrüht, die Intention des Autors mit einem „wird uns nicht gerecht“ abzutun…

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  5. 3in3r says:

    Jaja man hört ja so einiges aus Usa über die so genAnnten „hobbychristen“ jetzt speziell Musik Szene
    Aber wie weit das jetzt generell zum Trend wird oder ist hab ich keinen Einblick.

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  6. Wolfram says:

    In „coolen“ Kirchen hole ich mir immer einen Schnupfen…
    Den ersten Kommentar fand ich schon hochinteressant: da geht es doch eigentlich in der Bibel darum, „was Christum treibet“, wie Luther so schön sagt, und doch kommen so viele Gemeinden und Gemeindevertreter (selbsternannt oder nicht) immer wieder damit, was sie selbst treiben. Oder auch, was sie antreibt – was nicht unbedingt Christus sein muß…
    Und man muß unbedingt am anderen was falsch finden, um sich selbst so richtig zu wissen. Auch wir Pastoren, fürchte ich.

    Da bringt mich doch das Evangelium in einen Zwiespalt. Der eine schreit, „ich glaube – hilf meinem Unglauben.“ Der andere will mit Jesus gehen, und der sagt ihm, „bleib zuhause und rede da von Gott.“ Die dritte traut sich nicht mal, Jesus anzusehen, und kriegt die Panik, als Jesus fragt, wer ihn da angerührt hat – und Jesus sagt, „dein Glaube hat dir geholfen.“ Die vierte weiß nicht mal was von Jesus, der sie zum Leben erweckt, und auch zu ihrem Vater sagt Jesus nix vom Glauben.
    Ja, da und dort sagt Jesus, „du mußt dich entscheiden.“ Aber ist das ein Prinzip? Gibt es nicht neben den verlorenen Söhnen, die sich zur Heimkehr entscheiden müssen (und… muß man sich dann nicht tagtäglich neu entscheiden?!?), auch noch die, die immer im Hause waren und so gern darüber entscheiden möchten, wer denn nun gut genug ist? Aber selbst nicht begriffen haben, daß sie nicht nur Arbeiter im Weinberg, sondern Erben des Reiches sind?

    Wenn die Überzeugung, daß Christenglaube nicht nur schwarz oder weiß ist, sondern sich auf einem großen Spektrum von Farben und Helligkeiten abspielt, wenn diese Überzeugung „hip“ ist, dann bin ich hip. Aber ich dachte eigentlich, ich wäre nur ein ganz einfacher Christ, mit einer Mission, für die ich eigentlich viel zu jung bin…

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  7. martin says:

    sehr spannend!!! vielen dank für den post!!!

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  8. Peter says:

    Danke, Rolf, fürs Lesen, Zusammenfassen und den guten, konstruktiven Kommentar!

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  9. Verkauft die alten Kirchen nicht! « Auf ‘n Kaffee says:

    […] Ende gab es dann noch die Lounge mit Knabbereien und der unvermeidlichen Bionade (siehe Hipster Christianity […]

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